Darius Gircys

Das Geschenk

2010

Ich fuhr ohne Fahrschein, Geld und Ziel. Durch verschiedene Städte und unterschiedliche Länder. Immer der Nase nach. Und das bereits seit Jahren. Die Schaffnerin stieg ein und fragte, wer ich sei, woher ich komme, was ich mitführe und ob mir bekannt sei, dass die Fahrt nicht umsonst ist. Ich antwortete, dass ich Litauer bin und ein Gefäß mit Flüssigkeit mit mir führe. Spitz fügte ich hinzu, dass sowohl Gas als auch Flüssigkeiten billiger durch Pipelines transportiert werden könnten, diese aber nicht jedem zugänglich seien. Zu voller Größe erhoben merkte ich auf Englisch an, dass ich ein instinktiv fühlendes Wesen aus Fleisch und Blut bin und alles wortwörtlich verstehe. Auf Französisch, dass ich offen bin für das Gute, das leider nicht selten begrenzt wird durch das Böse. Ich pflanze etwas ein, schneide es aber auch wieder heraus. Auf Griechisch, dass ich ein von Narzissten eingekreister Prometheus bin und umgekehrt. Auf Deutsch, dass das Gelände für aktive Manöver nicht groß genug ist und ich einen Widerspruch sehe zwischen potentiellen Möglichkeiten und der Realität. Auf Russisch, dass ich bis jetzt noch keine feste Anschrift habe, aber falls ich eine hätte, ich niemals meine Blumen mit Wasser aus dem Hahn gießen würde, da im Leitungswasser viel zu viel Chlor ist. „Endstation“, gab der Busfahrer durch. „Seifig ist das alles“, sagte die Schaffnerin und schubste mich zur Tür hinaus. An der Endstation wuselten festlich gekleidete Menschen durcheinander, die auf irgend etwas zu warten schienen. Es roch nach Flieder und nassem Staub. Das Volk drehte sich in einem Schub zu mir um und es roch noch stärker. Es roch in der Tat irgendwie so bekannt, dass es mich in Verwirrung versetzte. Es rannten hübsch gekämmte, in Volkstrachten gekleidete Kinder auf mich zu und pressten mir eine kleine bunt bemalte Schatulle in die Hand. Ich begann zu weinen, weil mir niemals jemand je irgendetwas geschenkt hat. Ich öffnete sie und fand ein Stück Duftseife, verziert mit einer stilvoll gravierten Inschrift – Unschuldig.