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Serie : Ausgang 2003-2007, Ilfochrome auf Alu-Dibond 150x150 cm

Ausgang 2173

2010

Bisher habe ich mich nicht als Emigrant gefühlt. Aber eines Tages bemerkte ein Bekannter, dass ich bereits zehn Jahren keine direkten Kontake zu meiner Heimat und ihrer kulturellen Umgebung pflegte. Meine Langzeitreisen durch Europa haben tatsächlich mit einer Meldebestätigung in Berlin ein Ende genommen. Die Stadt Vilnius, die ich 1000 Kilometer ostwärts liegen gelassen habe, genieße ich träumend , indem ich mein Atelier in Wedding durchschreite. Anders ausgedrückt, glaube ich, dass sich meine Stadt insgeheim in eine andere utopische Stadt verwandelt hat, vielleicht in eine vollkommener – so habe ich mir mehrmals eingeredet – in jedem Fall in eine Stadt voll von Andeutungen und mehrdeutigen Metaphern. Begonnen in Berlin hat es in einem U-bahn Ausgang.Ich starrte von unten nach oben in den Lichtschacht, der sich mir in der Form eines Rechtecks zeigte. Am Ende der Treppe war abstraktes diffuses Licht zu sehen, ich konnte beinahe glauben, dass nach 30 stufen Entfernung der "Sonnenstaat" vor mir liegt. Dieser Augenblick hielt zwei Sekunden an. Einen weiteren Schritt die Treppe hinauf ahnte ich, dass mein "Sonnenstaat" am Anblick der Berliner Straße zerbrechen würde. So fing ich an, vor den U-bahn Ausgängen der Stadt meine Utopie zu entdecken und zu dokumentieren. In der Serie geschlossener Höfe ist auch die Lichtquelle sehr wichtig. Steht man vor der Tiefe von fünf Stockwerken, erscheint das Licht unerreichbar. Man wird einfach nie aus dem Graben herauskommen, in dem man sich in eine Ameise mit einem osteuropäischen Akzent verwandelt hat.So bleibt nur die Möglichkeit, zu dieser quadratischen Illusion über dem Kopf zu beten: Jene Entfernung aus der Tiefe des Hofes in die Höhe, zum Himmel, ist eben die Entfernung zu meiner nicht mehr existierenden Heimat. Anfang der neunziger Jahre hat mein Lehrer Roman Opalka meine damaligen Bemühungen in Salzburg als Beispiel humanistischer Geometrie und die Emigration eines Künstlers als ein erbarmungsloses Mittel bezeichnet, um sein künstlerisches Ego und die Wirksamkeit eigener künstlerischer Methoden zu prüfen. Opalka näherte sich leidenschaftlich seiner polnische Unendlichkeit, indem er immer größere Zahlen in Frankreich schrieb. Ich dagegen wollte ganz bewusst den mich interessierenden Quellen des Lichtes und der Dunkelheit nicht näher kommen, braucht man doch für die Schaffung künstlerischer Utopien große und sichere Entfernungen. Möglicherweise ist es hier wichtig rechtzeitig anzuhalten, ohne ein endgültiges Ziel erreichen zu wollen, damit die gehegte Illusion nicht entschwindet.